Referat von Fanny Dethloff
Als Vorsitzende der BAG Asyl in der Kirche freue ich mich über unsere enge Zusammenarbeit und über die Einladung, hier zu eurem 25. Geburtstag zu sprechen.
Ich habe meine damaligen Unterlagen nicht gefunden – aber bei der Kirche von unten war ich schon vor über 20 Jahren des öfteren zu Gast, gerade auf den Katholikentagen.
Standortbestimmungen nach 25 Jahren. Wir waren und sind die ungeliebten Kinder unserer Institutionen geblieben und immer zugleich der lebendige Ort, um Entwicklungen kritisch zu begleiten, um phantasievolles, widerständiges Leben für Christinnen und Christen attraktiv zu machen und es auch für die Großinstitutionen anschaulich zu gestalten.
Wir tun dies geschwisterlich und ökumenisch. Viele Probleme ähneln sich. Wir tun dies an der Basis, im Zusammen Arbeiten, Zusammen Feiern und zusammen Diskutieren. Für den Streit innerhalb der Ökumene bleibt uns zum Glück oft nicht die Zeit. Vielleicht sind wir auch eher an der befreienden Haltung, an Heilung interessiert. An dem, was gelingt. Und das ist gut so. Gottes heilende Liebe eint uns eher. Wir ergänzen uns in vielem in diesem gemeinsamen Lebensentwurf, den wir gewählt haben. Wir ermutigen uns besser gegenseitig, als auf die Grenzen und Abgrenzungen zu schauen.
„Solidarität mit den Entwurzelten – vom Kirchenasyl zur Gästebewegung“, hat sich Bernd Göhrig als Thema von mir gewünscht.
Ich biete ein paar Thesen dazu, die ich ausführen möchte. Eher ungeordnet und kreativ als systematisch.
Wovon sprechen wir genau, wenn es uns um „Solidarität mit den Entwurzelten“ geht? Das möchte ich gerne hier näher beleuchten. „Solidarität“ - Was verstehen wir heute darunter? „Entwurzelte“ – Wer sind die denn eigentlich und wie sieht unser gesellschaftlicher Kontext aus?
Solidarität ist Leben auf gleicher Augenhöhe.
Solidarität mit den Entwurzelten: Ich glaube, dass wir nicht etwas für andere tun. Es ist nicht so, dass wir uns um die Betreuung von Menschen reißen.
Wir leben nicht die Gemeinde der Betreuten, sondern auf die Gemeinde der Befreiten hin. Wir arbeiten dabei an unserer Befreiung und setzen damit für andere etwas frei.
Wir setzen uns ein für Menschenrechte und Gerechtigkeit. Und das kann nur bei uns selbst anfangen.
„Solidarität mit den Entwurzelten – vom Kirchenasyl zur Gästebewegung.“
Über 20 Jahre gibt es schon Kirchenasyle, die konkreten Formen sind immer vielfältiger geworden: Von großen öffentlichen Kirchenasylen, stillen Kirchenasylen bis hin zur bloßen Ankündigung einer Gemeinden gegenüber den Behörden: „In diesem Fall machen wir halt Kirchenasyl“ - was oft bereits Bewegung in die Beurteilung eines Falles brachte und die Abschiebung verhindern konnte. Wir können Kirchenasyle kaum zählen, da viele nicht bekannt gegeben werden oder erst im Anschluss, wenn sie beendet sind. Immer wieder werden wir darauf aufmerksam gemacht, wie viele Kirchenasyle wir z.B. in unserer Ausstellung vergessen haben aufzuführen. Darunter sind besonders viele kurdische Familien aus der Türkei, langjährig Geduldete, die nie hier ein Asylrecht bekamen. Manche Gemeinde hat über Jahre diese Kraft, die Geduld, die Finanzierung ganzer Familien aufgebracht – in über 70% der Kirchenasyle bekamen die Flüchtlinge eine Art von Aufenthaltsstatus und durften bleiben.
Kirchengemeinden leben den Schutz der Flüchtlinge aktiv und solidarisch. Oft sind es Einzelne, die solche Solidarität anstoßen, Türen öffnen und zur Aktivität, zu neuen Formen von Spiritualität und gewaltfreiem friedensstiftendem und interkulturellem Leben verhelfen.
Inzwischen nimmt die Bewegung zusätzliche Formen an. Die Gästebewegung kommt dazu, d.h. die Unterbringung von Menschen, die ohne Papiere unter uns leben. Für den einen oder anderen mündet diese Gastfreundschaft in ein Kirchenasyl, denn vielen bleibt der Flüchtlingsschutz in unserem Land vorenthalten. Es gibt in vielen Kirchenkreisen regelrechte Gästewohnungen für Menschen, die auf ihrer Wanderung Ruhe, Zuflucht und Schutz brauchen. Die Not der Menschen ist zum Greifen nahe und Kirchengemeinden, Kirchenasylbewegung öffnen sich in diese Richtung.
Die Menschen sind aus unterschiedlichsten Gründen hergekommen, gestrandet, entwurzelt oder auch durch Schlepperorganisationen, durch unmenschliche Arbeitsbedingungen oder Wohngegebenheiten, durch Ausbeutung oder Zwangsprostitution zu Opfern geworden. Opfer brauchen Schutz, Ruhe, Wiederherstellung ihrer eigenen Fähigkeiten, damit sie selbstbestimmt weiter entscheiden können. Opferschutz, den eigentlich viele Politiker im Munde führen, bleibt nur zu oft auf der Strecke. Viele diesbezüglichen Äußerungen sind sehr halbherzig und die heutige Abschiebunsgwut in unserem Land wirft wichtige Zeuginnen eher hinaus, als sie in Ruhe zu ermutigen. Gerade für die Entwurzelten gibt es nur unzureichend Hilfe. Entwurzelte sind immer auch zugleich Entrechtete.
„Solidarität mit den Entwurzelten“, so haben es die Berliner Freunde vom AK Asyl in der Kirche hier zuerst genannt, ist dabei die Anleitung zur praktischen Solidarität, die Gemeinden vor Ort leisten können. Beispiele, Handlungsmöglichkeiten und konkrete Tipps sind in unserer Broschüre zusammengefasst. Wer mag, nimmt sich nachher eine Broschüre mit.
Ich möchte an dieser Stelle aber etwas tiefer einsteigen.
Solidarität ist ja ein Wort, das anscheinend aus der Mode gekommen ist, das neu definiert gehört unter uns. Nach 25 Jahren zunächst vollmundiger Rede von der Solidarität mit der sogenannten Dritten Welt und der Solidarität mit immer neu ausgemachten Objekten ist es an der Zeit, genauer auszuloten. Zudem ist es mit dem Zusammenbruch des realexistierenden Sozialismus neu auszurichten und festzulegen. Solidarität erhält ja vielleicht eine neuen Aufschwung, braucht aber auch neuen Klang und neue Farbe – bei aller idealistischen Rückschau und in neoliberaler Zeit geradezu aufkeimender Glorifizierung der ostdeutschen Vergangenheit sind wir herausgefordert, genauer zu definieren, was wir meinen.
Oft kann man die Texte der Befreiungstheologie dabei wieder herausholen. Man könnte sie einfach zitieren und hätte damit eine gute Analyse unserer heutigen Zeit. Und doch wird es unserem Anliegen nicht ganz gerecht. Auch wir sind 25 Jahre älter und unsere Leben haben zusätzliche Schattierungen erhalten. Zu der nötigen Klarheit, die wir brauchen, gehört auch unsere Differenziertheit und gehören auch unsere eigenen Befindlichkeiten mit hinein, wenn wir ernstnehmen wollen, dass wir Solidarität als Leben auf Augenhöhe meinen.
Vieles, was an guten Ideen da war, ist heute immer noch aktuell, und dennoch müssen wir es für uns noch einmal durchbuchstabieren. So geht es mir auch mit all den migrations- und flüchtlingspolitischen Konzeptionen, kirchlichen Denkschriften und Aufrufen. Manches, was 20 Jahre alt ist, hat auch heute einen aufrüttelnden Klang. Und doch entbindet es uns nicht davon, selbst die Analyse vorzunehmen und neu nach Antworten zu suchen.
Deutschland heute
Im geeinten Deutschland unserer Zeit mit 5 Millionen Arbeitslosen werden Wahlen gewonnen über nationale Konzepte. Nationalistische Einbürgerungstest machen die Runde, die sich sofort für eine Realsatire eignen könnten, wären sie nicht so ernsthaft gemeint und so medial hochgepuscht. Was deutsch sei, könne nun endlich ohne jede Hysterie verhandelt werden. Nicht mehr diese intellektuelle Auseinandersetzung und diese political correctness, freut sich zum Beispiel ein Kommentator in der WELT.
Was die Deutschen denn bloß hätten, fragen mich europäische Freunde. Es müsse doch mal Schluss sein mit dem Demutsgetue und diesem ewig gestrigen Schuldgefühl der Deutschen. Alle Länder in Europa hätten schließlich einen gesunden Zugang zu ihrem patriotischen Erbe. Mein geschichtliches Bewusstsein kann leider nicht anders.
Aus dem deutschen Nationalgefühl ist noch nie irgendetwas in Europa genesen. Ich glaube auch nicht, dass in unserer Bundesrepublik mit einem großartigen Nationalgefühl sich jemand besser fühlen würde. „Du bist Deutschland!“ – Fehlt nur noch „Du bist die Fußball WM!“
Nationalgefühl und positive nationale Betrachtungen sollen die eigentlichen Ursachen für tiefe allgemeine Entwurzelung eher verdrängen helfen. Es ist eine Art Ersatzreligion. Opium für das Volk, gut inszeniert. Und wie es bei falschen Ideologien oft ist, sie wirken nicht heilend, sondern verheerend. Rassistische Übergriffe nehmen zu, die Neonazis haben Zulauf, die Fußball-WM wird ein Übriges tun.
Bei allen Aufschwung-Beschwörungen ist gleichzeitig die kollektive Depression nicht wegzubekommen. Ein deutliches Zeichen, dass das Nationalgefühl für eine kollektive Erneuerung nicht ausreicht.
Doch auch wir sollten uns nicht wegstehlen, Antworten auf die Frage zu geben, was für uns das Leben in diesem Lande denn bedeutet. Wir sehen es oft aus einer Perspektive der Opfer und setzen uns ein. Wir kritisieren, halten Abstand. Was aber haben wir für eigene Antworten?
Ein Beispiel:
Ein Jahr lang lebte in meiner Wohngemeinschaft ein Mädchen aus Togo mit, das sich in einem Deutschaufsatz zum Kopftuchstreit über dieses Thema äußern sollte. Wie denn die türkische Mentalität sei und ob sich die mit der deutschen vertrüge, war so eine Frage in dieser reinen Migrationsschülerklasse. Sie schrieb brav die Antworten ab, die in dem verwendeten Zeitungsartikel vorkamen, aber wir hatten diskutiert und ich wollte ihre Meinung wissen.
„Bevor die Deutschen sagen können, wie eine Migrantin mit egal welchem Hintergrund sich fühlt, sollten sie selbst sich fragen, was zum Deutschsein dazugehört und wie sie sich fühlen.“
Ich fand die Antwort stimmig. Und auch schwierig. Gibt es in Deutschland nicht sehr lokal bestimmte Antworten: In Hamburg andere als in Bayern und beim Kölner Fasching wieder andere als in Thüringen?
Was gehört denn dazu, wollte man einen deutschen Kulturbeutel schnüren: Diverse lokale Mundarten und Volksmusiken, Trachten und Schipperhemden? Oder doch, wie die Hessen meinen, das deutsche Kulturgut von Caspar David Friedrich über Goethe und Schiller, Kant bis Habermas? Und was ist mit George Gross oder Erich Schadt – ist das denn deutsch oder schon wieder entartet?
In einem älteren Werk über Kirche und Politik wurde die Frage laut gestellt, wie sehr die Rolle der Vertriebenen, der displaced persons die Nachkriegsgeschichte mitbestimmte. Wie sehr die Sehnsucht nach Heimat und Verwurzelung unsere nationale Identität mitprägte. Viel zu oft haben diese Geschichtsfragen bei uns die Falschen ausgelegt und geprägt. Aufarbeitung von Geschichte hat in Deutschland noch immer erst Jahrzehnte später angesetzt. Es wird Zeit, dass wir dies mit in den Blick nehmen.
Es könnte ja sein, dass die Traumatisierten durch Krieg, Faschismus und Verfolgung in unserem Land sich gerade darum so ausgrenzend den Flüchtlingen, also den neuen Traumatisierten gegenüber verhalten, weil z.B. Verdrängung auch eine kollektive Angelegenheit ist. Man kann es nicht aushalten sich zu erinnern, weil es zu schmerzhaft ist und eben darum verdrängt und schiebt man diejenigen ab, die gerade ankommen.
Das sind schmerzhafte Fragen, die wir aber nicht weiter ausblenden können. Es ist in 25 Jahren zuviel liegengeblieben, was wir uns ansehen müssen, wollen wir nicht in Frontstellungen verharren.
Wer ist denn eigentlich entwurzelt?
Wenn wir also über Solidarität mit den Entwurzelten sprechen, kommen wir nicht umhin, unserem Standort zu analysieren. Es könnte ja sein, dass Zeichen der Entwurzelung aufgewiesen werden, die weit über das hinausgehen, was wir eigentlich damit zuerst meinten.
In den Zeiten, da der Kapitalismus weltweit ungebremst Urstände feiert, die Globalisierung mit ihren Schattenseiten nicht aufzuhalten ist, die Nationalstaaten mit ihrem Pathos ringen und einzig und allein die Märkte regieren, wird es Zeit, zu fragen, wer denn eigentlich nicht entwurzelt ist.
Deutschland, will man den Medien glauben, sieht so aus: Zu wenige Kinder, zu wenig Wachstum, Zukunftsangst, zu viele Arbeitslose, zu viel Arbeitsplatzverluste, zu viele Alte, zu wenig Verständnis, 13.000 Suizide im Jahr, (mehr als alle Verkehrstoten und Aids-Toten zusammen, davon 11.000 unter den über 65 Jährigen), Zunahme rechtsradikaler Gewalttaten, Vernachlässigung von Kindern bis hin zum Tod sind an der Tagesordnung.
Schaut man dann noch mal lokaler hin, wird es ganz finster: Konstantin Wecker, der in Sachsen nicht mehr gegen Rechtsradikalismus auftreten durfte, dafür in Dresden Polizisten, die ein 3jähriges angolanisches Kind in Beugehaft nehmen, um die Mutter abschieben zu können.
Ich könnte so weiter machen – es würde nicht eine Geburtstagsrede werden, sondern eine rabenschwarze Zustandsbeschreibung. Sie ließe sich für die Großstädte Berlin, Hamburg, Frankfurt so fortsetzen. Die Hauptschule in Berlin-Neukölln geistert gerade durch die Presse. Die Vernachlässigung von Kindern und ganzen Stadtteilen ist ein Skandal. Dies jetzt den Kindern mit Migrationshintergrund, die man vorher beiseite gedrängt hat und die sich in der Pubertät gewalttätig zu Wort melden, in die Schuhe zu schieben, ist auch unzulässig. Eine verantwortliche Gesellschaft sucht einen anderen Umgang mit Problemlagen.
Klar ist, dass viele Menschen in unserem Land genau dies als Merkmal aufweisen: Sie selbst fühlen sich entwurzelt, ganz individuell, und doch ist das eine kollektive gesellschaftliche Zustandsbeschreibung. Viele sind von Ost nach West gezogen, wegen der Arbeitsplätze. Viel zu viele haben gar keine Arbeit mehr und werden auf lange Sicht keine bekommen. Ihre Familien und Ehen zerbrechen unter Mobilitätsdruck. Kommunen, Vereine, Gewerkschaften, Parteien und Kirchengemeinden versuchen sich gemeinschaftsstiftend irgendwie entgegenzustemmen. Ganze Bezirke vergreisen.
Da kommt so eine Fußballweltmeisterschaft wie gerufen. Nationales Pathos als Placebo.
Wir sollten „Entwurzelung“ also radikaler sehen, ohne dabei die Tiefenschärfe zu verlieren.
Doch solidarisch kann nur der sein, der mit Tillich begriffen hat, was ihn unbedingt angeht.
Meine brasilianische Freundin hat vor ungefähr zehn Jahren mich einmal angeherrscht. Ich sollte bitte endlich aufhören, diese Kampagnen zu den armen Straßenkindern in Rio de Janiero lesend zu verfolgen, sondern einmal einen Vormittag am Hauptbahnhof die kleinen Stricherjungen beobachten. Ob ich bitte beides im Blick behalten könnte: Die sogenannte „Dritte Welt“, und dass sie längst bei uns angekommen sei. Ich denke, wir haben gelernt, beides in den Blick zu nehmen; uns den Zerrissenheiten auszusetzen und, wo wir können, handelnd einzugreifen – ja, auch voneinander zu lernen.
Als Entwurzelte solidarisch mit den vollkommen Entrechteten zu sein, auf Augenhöhe zu bleiben, heißt, sich kritisch mit den eigenen Anteilen und der eigenen Umgebung auseinanderzusetzen und darin die Augenhöhe einzuüben.
Wenn wir also die Solidarität mit den Entwurzelten in den Blick nehmen, dann beziehen wir das auf die Flüchtlinge und Migranten unter uns, die ohne jeden Status, ohne Papiere, z.T. in gefährlichen, krankmachenden Jobs ausgebeutet, von Schlepperbanden eingeschleust und abgezockt unter uns leben. Angepasst und unauffällig, unsichtbar in einer Schattenwelt. Vor ökonomischen oder ökologischen Katastrophen geflohen, vor Verfolgung und Folter geflüchtet – ohne in Europa Schutz zu bekommen, – oft gerichtlich sanktioniert – rechtlos gehalten. Die Grenzen Europas werden dichter: Migranten und Flüchtlinge werden zusammen mit der Terrorabwehr und der Bekämpfung des Schleusertums vor unserem Wohlstand abgeschirmt.
Die Flüchtlinge sind die eigentlichen und doppelten Opfer. Angesichts unserer Entwurzelung wird ein neues Nationalgefühl installiert, ein Europa ideologisch zwischengeschaltet und unser Wohlstand geschützt.
Sicherheit ist neben den nationalen Tönen die zweite große Ideologie oder Ersatzreligion. Und Deutsche sind aus ihrer Geschichte heraus anscheinend besonders sicherheitsbedürftig. Dass es keine Sicherheit gibt, trotz aller Überwachung, Einschränkung bürgerlicher Rechte und Krieg gegen Flüchtlinge, haben wir schon oft gesehen. Aber eine verunsicherte Bevölkerung braucht Aktivismus, um den Schein einer Sicherheit zu spüren. So hat der Innensenator Udo Nagel in Hamburg alle Behörden aufgerufen, Daten an die Innenbehörde weiterzureichen. Jeder, dem sein islamischer Nachbar nicht gefällt, kann fröhlich denunzieren, mal sehen, wohin das führt.
Aus sogenannten Sicherheitsinteressen wird ein sich zunehmend national abgrenzender und ausgrenzender Staat, der nach innen aber immer noch nicht definiert hat, was sein Wesen ausmachen soll. Gelebte Toleranz? Das wurde als Multikulti-Traum diffamiert. Jede Kopftuch-Debatte, jede Fokussierung auf Zwangsehen verhindert weiteres Nachdenken. Der Karikaturenstreit war dann der SuperGAU – der Kampf der Kulturen damit schon bewiesen.
Das Ende des angeblich naiven Dialogs für die Einen; das Ende auf jeden Fall für all die inzwischen bereits sehr wohl installierten liberalen islamischen Theologen und Wortführer ihrer Vereine und Gemeinschaften in unserer Mitte. Denn man fördert mit solcher kritischen Positionierung auch unter uns ungewollt, manche sicher auch bewusst, den sich radikalisierenden Fundamentalismus auf beiden Seiten.
Befreiend, friedenstiftend, solidarisch ist etwas anderes meiner Meinung nach. Es kommt vom Zuhören wollen. Vom Teilen wollen. Und oft vom solidarischen Ansatz, die Entwurzelung und die Ausgrenzung zu teilen.
Also, was trägt unseren Staat, was ist unsere civil religion, unsere nicht näher bestimmbaren aber doch vorausgesetzten Werte: Der Glaube an den Wohlstand, an das Wachstum, an eine nicht existierende Sicherheit, an eine Führungsrolle Deutschlands als Entwickler neuer Technologien dank Bildung? Das hat einen Knacks bekommen, leider liegt gerade die Bildung brach, weil sie durch Ausgrenzung ganzer ärmerer Bevölkerungsschichten am Boden ist – und wieder wird es auf die Migranten geschoben, die sich nicht integrierten. Das ist zu billig.
Auf jeden Fall wird solch ein dumpfes Nationalgefühl immer durch Abgrenzung wachgehalten: „Du bist Deutschland, sei stolz darauf.“ Das reicht ja nicht aus. Gegen wen ist das denn gerichtet? Darauf kommt es an. Und was befördert es?
Die Abgrenzung ist absolut notwendig in dieser civil religion. Man braucht einen, den man abschieben kann aus unserer Mitte. Denn sonst würde ja wirklich die Frage all derer, die ausgegrenzt sind, wach werden können: Der nicht mehr Krankenversicherten, der Hartz IV- Empfänger, der um ihre Rentenbeiträge Betrogenen, der vernachlässigten Kinder, der unterbezahlten Menschen. Die sich immer weiter verschärfende Kluft zwischen Arm und Reich. Übrigens, in Deutschland leben – nach den USA – die meisten Milliardäre.
Wenn wir nicht wieder ein neu erwachendes Nationalgefühl, das gegen die Parallelgesellschaften medial überkocht, diskutieren müssten, würde ja vielleicht wirklich einmal nicht die Frage nach der Herkunft der Bewohnerinnen und Bewohner in Stadtteilen gestellt werden, sondern es ginge etwa um den Armutsbericht, der allen gemeinsam die Ausgrenzung aus dieser Gesellschaft vor Augen hält und zu so etwas wie Solidarität führen könnte.
Ich glaube, bei der Frage nach unserem Deutschsein sitzen wir also einer Debatte auf, die medial gezündet davon ablenkt, wer eigentlich in unserer Gesellschaft entwurzelt ist. Das darf aber uns nicht davon abhalten, nach echten Antworten zu suchen. Wir brauchen Antworten auf diese Fragen, was uns verbindet, was wir und wie wir leben wollen.
Darum ist es um so wichtiger, Orte und Freiräume, Denkräume freizuhalten, die im Angesicht dieses massiven Diktats von Themen gegensteuern. Die es möglich machen, gemeinschaftliches Erleben zu feiern, die Ausgrenzung heilen und heilsam mit den Verwundung der Einzelnen umgehen.
Solidarisches Leben ist eine Gegen-Haltung.
Ein Beispiel:
Die Hartz IV Empfängerin, an die ich denke, war Entwicklungshelferin. Sie spricht mehrere Sprachen, war lange Jahre Krankenschwester, ihre Rente reicht leider nicht, weil sie früher verrentet wurde, da ihre Knie nicht mehr mitmachten. Ihre Kinder sind inzwischen groß.
Sie gehört zu denen, die regelmäßig Besuche in der Abschiebungshaft machen.
Was sind die Motive: Sich gut zu fühlen? Sich besser zu fühlen als die anderen armen Menschen, denen es noch schlechter geht? Aus der Dankbarkeit Balsam zu saugen? Das waren die diffamierenden soziologischen Auskünfte derer, die das sogenannte „Helfersyndrom“ diagnostizierten. Danach war jeder altruistisch veranlagte Mensch sicher pathologisch veranlagt.
Fragt man sie selbst, ist die Antwort vielschichtiger. Sie ist zuerst pragmatisch: Sie kann die Sprachen. Man braucht dort Sprachen, um sich die Geschichte der Menschen hinter Gittern, dieser Zivilhäftlinge, die auf ihre Abschiebung warten, anzuhören. Es gibt keinerlei bezahlte Dolmetscher und sie hat Zeit. Fragt man weiter nach: Das Leid macht ihr zu schaffen, das Unrecht greift sie an. Sie will Zeugin sein für diese Menschen, die „unter die Räuber“, dem ordnungspolitischen Abschiebungswahn in unserer Gesellschaft, gefallen sind. Sie bekommt dafür keinerlei Anerkennung. Im Gegenteil, viele Bekannte halten sie für verrückt (man kann seine Freizeit wirklich schöner verbringen), in der Strafvollzugsanstalt wird sie eher belächelt vom Personal (Gutmenschen) und in der Kirchengemeinde muss sie sich fragen lassen, warum sie denn nicht lieber alte arme Menschen besuchen will (es gibt doch auch andere dankbare Aufgaben). Aber es tut ihr gut, wenn sie sich selbst zu sehr leid tut, noch zu etwas gut zu sein und sich sinnvoll einzusetzen.
Stellt euch vor, die Entwurzelten wären mit sich selbst, wären untereinander solidarisch? Welche Utopie. Und doch ist sie zum Greifen nah.
Natürlich sitzen die meisten Bundesbürgern den Medien auf und finden es in Ordnung, dass die alle da abgeschoben werden, die hier nichts zu suchen haben. Doch wehe, die Menschen bekommen ein Gesicht, so wie die kurdische Familie Aydin hier in Berlin, deren Geschichte dank des Besuchs der Tochter beim Bundespräsidenten bundesweit durch die Presse ging. Selbst der Sozialhilfebetrug wurde da nicht mehr als notwendiger Abschiebungsgrund gewertet.
Abschiebungen, ja klar. Haben die Abgeschobenen eine Geschichte, wird es schwierig:
“Aber doch nicht Hussein aus dem Kindergarten oder Ayse“. „Und schon gar nicht Elena, die zurück nach Serbien-Montenegro soll – da haben die ja nicht einmal Häuser.“ „Abdul aus Afghanistan soll doch hier lieber bleiben und studieren – in Kabul gibt es keine Lebenschance für ihn.“
Die Solidarität entscheidet sich genau an diesem Satz: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – und der entscheidenden Frage: Wer ist mein Nächster, wer meine Nächste?
Es gibt diese Selbstvergewisserung, die in einer individualistischen Welt immer auch mitgedacht werden muss: Ich erkenne mich in Dir wieder, dein Schicksal kann meines sein, daraus speist sich mein Engagement. Und das ist gut so, ja befreiend.
Es befreit viele aus einer lethargischen Haltung. Nie bekommen so viele Menschen plötzlich Motivation, sich zu engagieren, wie in dem Moment, wenn das Leid ein Gesicht hat. Dieses Kind, das krank ist, kann man doch nicht nach Hause schicken, zumal es die Heimatsprache gar nicht spricht. Die Mutter ist traumatisiert, sie ist gefoltert worden. All das, was wegdefiniert wird in Ausländerbehörden, bei BAMF-Entscheidungen und in Gerichtsbeschlüssen, entdecken Mitmenschen und machen sich schlau. So haben unsere Kirchenasyle in den Jahrzehnten Recht behalten. Menschen bekommen ihre Geschichte zurück, ihre Glaubwürdigkeit, die ihnen abgesprochen wurde – ja, ihre Würde. Und auch die, die sich engagieren, heilen an diesem Engagement.
Nie habe ich wunderbarere Heilungsgeschichten gehört als in den Gottesdiensten zum Dank für ein erfolgreiches Kirchenasyl. Da beten Menschen gemeinsam trotz ihres unterschiedlichen Glaubens. Da sitzen zwei Mütter an einem Bett, weil das kleine Mädchen der Familie im Kirchenasyl hohes Fieber hatte, was trotz der Medikamente nur langsam sank.
Da unterstützen sich Frauen aus unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters. Im letzten Kirchenasyl bei uns im Norden waren die Mädchen Schulsprecherinnen und Klassensprecherinnen – obwohl oder gerade weil sie im Kirchenasyl lebten. Sie hatten Stärkung erfahren, sie lebten dankbar und bewusst und genau dies machte ihre überzeugende Haltung für ihre Mitschüler aus.
Heilung sollte also ansteckend sein, weiterreichen als unsere vier Wände. Solidarität ist eine Haltung, die Heilung bewirken kann.
Solidarität ist dabei eben nicht die Besserwisserei der Bewussten und die Betreuung von Abhängigen. Das war es nie. Es ist der solidarische Umgang mit dem Nächsten, der der Fremde bleiben darf und gerade darum sich öffnet. Solidarität ist ein wechselseitiger Prozess.
Was kann das heißen?
Wir leben in einer gesellschaftlich angespannten Situation. Der nahende Aufschwung wird wieder weniger Menschen erreichen, die Schere von Arm und Reich vergrößern und damit mehr Menschen zu Entwurzelten machen.
In Basisbewegungen, in kleinen Kreisen, in solidarischem Leben kann ein Gegenkonzept ansatzweise gelebt werden – so wie zu allen Zeiten.
Konsum allein macht nicht glücklich, ist eine alte Binsenwahrheit.
Wenn es um Sinn geht, sind wir allemal reicher. Wir werden uns öffnen müssen und die allgemeinen Entwurzelungen in den Blick nehmen. Die der Menschen ohne Papiere und die derjenigen unter uns.
Radikal heute die Liebe Jesu Christi zu leben, heißt vielleicht genau dies: Wie damals wieder anzufangen, die befreiende Botschaft weiterzusagen. Sie liegt nicht im „Du bist Deutschland“ sondern in anderen Sätzen, die große Verheißungen sind:
Du bist befreit und kannst lieben.
Du musst Dich nicht abgrenzen.
Du kannst solidarisch sein.
Du kannst auf gleicher Augenhöhe mit anderen Menschen zusammensein.
Und noch etwas. Ich glaube, dass uns nicht ethische Appelle weiter helfen, sondern der Duft, der Geschmack, der Klang der Freiheit, die uns zum solidarischen Leben ruft und uns hilft, auch auf unsere eigenen individuellen Grenzen zu achten und liebevoll auch mit uns selbst umzugehen.
Feste und Vorbilder
Zu diesen Erfahrungen gehören die Feste.
Lasst uns darum feiern: Das Leben, das uns Gott geschenkt hat und die Freiheit, zu der wir durch Christus berufen sind, den Geist, der uns immer wieder neue Wege eröffnet.
Lasst uns auch die Erfolge feiern, die wir hatten. Dass es uns noch gibt als kleine Vereine, dass wir da sind, dass wir einander verstehen und uns immer wieder miteinander austauschen.
Die großen geglückten Ereignisse: Wisst ihr denn, wie viele Kirchenasyle schon durchgesetzt wurden, wie viele Menschen hier blieben, wie viel Zivilcourage Gemeinden aufbrachten, wie viele Menschen durch ihren Einsatz zu einem sinnvollen Leben zurückfanden, wie viele Kirchengemeinden sich wieder vergewisserten, um was es eigentlich geht? Eben nicht um die institutionelle Selbstabsicherung, sondern um die rettende Befreiung anderer und darin von uns selbst.
Wir sehen zu sorgenvoll in die Zukunft, zu grau in den Alltag. Von unseren Erfolgen, von den Menschen, die sich bei uns wohl fühlen, denen wir gut tun, mögen wir oft nicht reden. Es befällt uns eine Art Scham. Und doch, wenn wir die Liebe, die wir zurück erhalten, den Dank der Menschen nicht annehmen, verschenken wir etwas von der Kraft, die uns weitertreibt.
Niemand hält es in dieser Bundesrepublik aus, der mit Flüchtlingen arbeitet, wenn er nur auf die Einschränkungen der Gesetze, der Abschottung und Ausgrenzung schaut. Wir müssen uns gegenseitig auch bestärken: Wir sind erfolgreich.
Auch wenn das Bleiberecht für langjährig Geduldete länger braucht, aber seht genau hin: Es sind immer weniger Ministerpräsidenten, immer weniger Innenminister, die sich sperren. Selbst ein Niedersachse plant die Härtefallkommission einzusetzen. Das ist auch der Erfolg der kirchlichen Bewegung in Niedersachsen. Es bewegt sich doch. Sogar ein Schünemann.
Und wir sind da, die die Bewusstseinsprozesse mit in Gang setzen. Mit kleinen Beispielen, vielen Erfolgen und sichtbaren Einzelgeschichten. Das ist mal mühsam und zäh. Mal verzweifelt der Eine oder die Andere. Wir sind vielleicht zu ungeduldig und wir sind nicht gewohnt, die Erfolge zu feiern. Aber wir können uns die Depression als ständigen Gast auf unserem Haupt nicht leisten. Wir werden gebraucht – lasst uns das feiern! Wir haben Erfolge! Wir sind gut vernetzt, reagieren schnell und sind immer noch gefragt.
Der Film „Abschiebung im Morgengrauen“, von Michael Richter, der die Hamburger Wirklichkeit zeigte, hat einen Grimme-Preis bekommen. Eigentlich wollte die ARD ihn nicht zeigen. Aber viele Menschen wollten ihn sehen und viele protestieren nun gegen diese Hamburger Abschiebepraxis, schreiben Briefe, beschweren sich beim Hamburger Senat. Wir brauchen mehr Menschen, die uns die Geschichten und die Gesichter vor Augen führen.
Solidarität, das klingt ja auch leicht nach Großdemos und Friedensaufrufen, nach Massenbewegung und aufklärerischen Kampagnen.
Solidarität ist aber eine Haltung und dazu eine Art Leben – lasst mich das getrost so sagen – der linken Avantgarde. Gerade die IKvu, die BAG Asyl in der Kirche und andere kleinere Gruppierungen beweisen das. Wir sind wenige, wir denken politisch Dinge vor, engagieren uns mit unserer Kraft an Orten, die unserem Einsatz brauchen. Mit Phantasie und Kraft multiplizieren wir gute Ideen. Wir sind erfolgreich auf unsere Art. Und wir müssen uns dringend über neue Möglichkeiten des Ausdrucks dieses solidarischen Lebens unterhalten, über Lebenskonzeptionen, über biographische Entwürfe, über das, wie es gegangen ist.
Denn nicht zu allen Zeiten waren und sind unsere Aufrufe, unsere Unterschriftenaktionen, die Demos und die Gebete, die Gottesdienste, die Diskussionen mit den Freunden in der Einen Welt erfolgreich. Und doch haben diese 25 Jahre Spuren in unserem Biographien hinterlassen. Menschen sind weggegangen, andere dazugekommen, einige wiedergekommen. Was haben die Gedanken, Gebet und Lieder der Befreiungstheologie in unseren Lebensgeschichten bewegt? Wir brauchen Zeit, uns voneinander zu erzählen, von unserem Leben, wo es Menschen bewegte. Uns bewegte. Die Geschichte und Gesichter derer, die mit uns lebten, denen wir helfen konnten und die uns doch umso mehr bestärkten, kräftigten und ermutigten.
Lasst uns voneinander mehr wissen und erzählen. Wie das ist, so zu leben, solidarisch - all die letzten 25 Jahre. Was die Lieder Ernesto Cardenals bewirkten in uns, für uns, durch uns hindurch. Was die Bibelexegese gelernt hat, durch unsere Sichtweise? Was die Großinstitutionen trotz aller Abwehr begriffen haben. Und warum wir unverzichtbar sind.
Lasst uns selbst bewusst mit unserem Leben umgehen. Lasst uns unsere Schätze heben und unsere Antworten nicht allzu zaghaft aussprechen.
Lasst uns feiern und uns dann aufmachen und weiterwandern, gemeinsam und Hand in Hand.
Lasst uns träumen und diese Träume besingen: vom gerechteren Leben, dem solidarischen Leben miteinander, von Stadtteilen, die sich wieder daran erinnern, was Leben ausmacht: Kinderlachen und Teilen, Jugendangebote und Zukunftspläne für die, die schon nicht mehr wissen, was Zukunft für sie sein kann. Lasst uns lernen von Partnerschaften mit anderen Gemeinden und Gemeinschaften in ärmeren Ländern. Die Globalisierung hat zum Glück ja auch diese Seite: wir sind besser miteinander verbunden – auch wir als Kirche von unten.
Lasst uns das auch international besser nutzen. Für all die, denen wir nicht beistehen konnten.
Es gilt eben nicht mehr der Satz bei Abschiebungen „aus den Augen, aus dem Sinn“. In unserer Welt gibt es Handys und Internet. Wir hören von den Lebensbedingungen abgeschobener Familien, wir können hinfahren und berichten, wir können in Kontakt bleiben und weiterhelfen.
Ich träume von großen Tagungen in der Türkei, in Afghanistan und dem Kongo, in Togo, im Kosovo und in Serbien-Montenegro, wo noch einmal die Abschiebungen und die Behandlungen der Menschen in unserem Land zur Sprache gebracht werden können. Wo die Übergriffe in Abschiebungshaft und im Flugzeug, die Enteignungen bei Abschiebungen und das rechtlose Ausgeliefert werden in den Fokus gebracht werden. Wir wollen doch einmal sehen, ob da doch nicht auch andere Menschen bei uns schamvoll zu Boden blicken, wenn das ganze Ausmaß dessen uns allen nähergebracht würde.
Ich träume von Veranstaltungsformen in Marokko, mit den dortigen Menschenrechtsgruppen und Betroffenen, die von dem Alptraum in ihren Ländern berichten.
Ich träume von den vielen kleinen Schritten auf dem Weg dorthin, wo wir uns auf den Weg machen zu denen, die wir hier in Europa als überflüssig, als abzuschiebende Entwurzelte im Blick haben.
Und ich sehe, dass wir auf dem Weg sind, dass wir uns dahin aufmachen.
Lasst uns feiern, dass wir nicht am Ende sind, dass wir nicht „gar aus sind“, dass sich unsere Kraft, unsere Ideen, unsere Phantasie immer wieder neu entzündet. Dass wir jedes Mal neu wieder vor Menschen gestellt werden, denen wir in die Augen blicken und uns in ihnen erkennen. Wir kämpfen – nicht verbissen und verkrampft, (das manchmal vielleicht auch), aber vor allem phantasievoll für die Würde eines jeden Menschen, und darin für unsere eigene.
Solidarität mit den Entwurzelten – Ich denke, wir entdecken immer auch darin unsere eigene Heimatlosigkeit, unsere eigene Hoffnung und unsere eigene Würde. Gerade darum professionalisieren wir unsere Haltung, überprüfen und kritisieren manches, verbinden uns mit immer mehr Netzwerken und werden befreit zum sinnvollen Leben.
Lasst uns miteinander weiterleben – auf gleicher Augenhöhe mit den Entwurzelten – auch um unseretwillen.