Die Geschichte von Hassan Matar Khamis

Die Geschichte von Hassan Matar Khamis, Tschad

 

Was immer Hassan geschah am 14.April 2011, wie immer er sich fühlte an diesem Tag- wir werden es nicht mehr erfahren. Er starb, nachdem er acht Jahre lang schon auf Malta gelebt hatte. Einer der ersten Flüchtlinge auf Malta war er. Und während er am Anfang noch Hoffnung hatte, auf Arbeit, auf ein Leben in Würde –irgendwann gab er sich auf.

Zuletzt war er oft betrunken, er wusch sich kaum und für seine Umgebung war er eine Plage.

 

Er kam wie alle hier auf einem Boot. Die wenigsten ertrinken dabei, es sei denn der Motor geht aus und niemand eilt zur Hilfe. Es sei denn die Luft lässt nach in einem der selbstgebauten Gummiboote. Es sei denn, das Schiff sinkt. Öfter aber versagt bei den Menschen der Kreislauf aufgrund der Auskühlung, da das Wasser, das über Bord geht, ihre Kleidung durchnässt und die Sonne jede Energie dem Körper entzieht. Oder man verdurstet.  weil es nicht einen Tag Überfahrt nur dauert, wie die Schlepper versprechen, sondern immer mehr. Und statt Wasser mitzunehmen, wird der rare Platz an Bord eher für das Benzingemisch statt für Trinkwasser verwendet wurde.

Ertrinken tun die Unglücklichen, die dann im Wahn über Bord gehen.

 

Hassan aber ertrank nach acht Jahren auf Malta.
Er war öfter in Mount Karmel, der Psychiatrie auf Malta, als sonst jemand. Er bekam Tabletten, die ihn beruhigen und stabilisieren sollten. Er nahm sie, aber trank obendrein. Oft liefen die Sozialarbeiter hinter ihm her oder die Careworker, weil sie es nicht mit ansehen konnten, dass er fast unter einen Bus oder ein Auto geriet.

 

Er war einer jener Traumatisierten, deren Selbstzerstörung weit fortgeschritten war. Wahrscheinlich hätte es früher oder später einen Unfall oder den Selbstmord gegeben. Denn der „Selbstmord auf Raten“ hatte bereits begonnen.

 

Hassan wurde geschlagen von ein paar Maltesern und es kam zu einer Anzeige. Am 15.4. hätte er als Zeuge aussagen sollen. Ein paar Touristen beobachten, wie andere ihn ins Wasser stoßen.

Hassan Matar Khamis  ertrinkt.

 

Die Autopsie ergibt keine weiteren Einwirkungen. Die Polizei geht von einem Fremdverschulden aus, allerdings meinen sie, es habe sich sicher um einen Scherz gehandelt.

 

Hassan Matar Khamis wird drei Tage später in Paola neben der Moschee beigesetzt. Hundert Leute aus dem Marsa Open Centre erscheinen. Viele tragen den Sarg, mit dem er vom Krankenhaus zur Moschee gebracht wurde und in dem er zur Beisetzungsstelle getragen wird.

 

Sie rühren Zement an, sie versetzen die Steine der Gruft.

Wortlos bleibt der Schmerz. Ein letztes Gebet.

 

Für seine Familie im Tschad organisieren sie ein Essen im Open Centre. Man zahlt, was man kann. Das Geld schicken sie der Familie.

 

Es wird Hassan Matar Khamis, der das Sandmeer, die Wüste, und das Mittelmeer überlebte, nicht wieder lebendig machen.

 

Fanny Dethloff