Es ist auffallend viel von Angst die Rede

Predigt im Gottesdienst am 2. Ostersonntag, 7. April 2013

IKvu-Delegiertenversammlung in der Katholischen Christköniggemeinde in Eschborn  

 

Es ist auffallend viel von Angst die Rede – und das nach der Botschaft von der Auferstehung!

Johannes 20, 19-31

 

Welche Ängste uns bedrängen, mit dieser Frage sind wir in diesem Jahr bei den KarTagen der KSJ im Bistum Trier eingestiegen. Die Jugendlichen nannten vor allem die Angst, nicht genug zu  tun in Schule und Studium, die Angst zu versagen,  die Angst vor Sinnlosigkeit und  Einsamkeit. Diese Ängste wachsen sich längst zu echten Stressfaktoren aus und können lähmen; nicht nur die Beine, sondern auch das Gehirn, diese Angst kann die Kreativität einfrieren und die Phantasie, den Widerstandsgeist und die Mitmenschlichkeit.

 

Es ist unglaublich, aber so endet das ursprüngliche Johannesevangelium: Die Rettung, die für alle Menschen gemeint ist, die Botschaft, dass der Tod eben nicht das Letzte ist, soll in einem engen Raum verkommen! Nichts anderes sind sie ja, die Jünger der Johannesgemeinde: Ein eingeschüchterter, verängstigter Haufen, der sich im Innersten eines Hauses verbarrikadiert hat und genau das Gegenteil von dem tut, was ihm aufgetragen ist: Die Ermutigung des Auferstandenen in alle Welt hinauszutragen! Als feministische Theologin könnte ich einwerfen, dass Maria von Magdala ihre Konsequenz aus dem Ostermorgen gezogen hat….sie ist nicht mehr dabei…bei diesem ängstlichen Männerhaufen…

 

Von außen wird diese Angst aufgebrochen: Der Auferstandene tritt ein. Aber sein Auftritt scheint keine große Wirkung gehabt zu haben; jedenfalls sitzen sie nach einer Woche immer noch verängstigt in dem Zimmer. Sie haben den Aufbruch, den Ausbruch immer noch nicht gewagt.

 

Wovor haben sie solche Angst? „Aus Furcht vor den Jehudim“ heißt es im Text. Die Johannesgemeinde hatte es mit heftigen Gegnern zu tun: Ihr jüdischen Brüder und Schwestern, die nicht an Jesus als den Messias glauben konnten, denen ein gekreuzigter Messias unvorstellbar war und die Ruhe wollten. Unruhe konnten sie nicht gebrauchen, denn das hätte die römische Verwaltung aufmerksam gemacht. So bedrängten sie ihre messianischen Schwestern und Brüder und drohten ihnen mit dem Ausschluss aus der Synagogengemeinde. Die Jüngerinnen und Jünger hatten gute Gründe für ihre Angst. Aber Angst isoliert. Und verschließt den Mund, tötet die Hoffnung, nix läuft mehr.

 

Deshalb ist der Friedenswunsch des Auferstandenen nicht einfach so ein „Guten Tag, hier bin ich!“ oder auf orientalisch: „shalom“ oder „salam aleikum“. Es ist die Erinnerung an den Frieden des Messias: Der Friede des römischen Kaisers ist die Totenstille über den Schlachtfeldern und das Weinen verhungernder Kinder – der Friede des Messias ist der Klang von ermutigten Stimmen und das Lachen von sattgewordenen Menschen. Der Friede des Messias schickt nicht andere Menschen in den Tod, sondern nimmt Verwundungen und Tod in Kauf, ist aber nicht kleinzukriegen. Deshalb zeigt der Auferstandene seine Wunden.

 

Jesus hat Verständnis für Menschen mit Angst, denn er hat die Angst selbst kennengelernt, er hat sie ausgestanden. Wie hat er sie überwunden? Sein Mitgefühl und sein Einfühlungsvermögen in die Opfer sind die Quellen seiner Kraft, sie sind stärker als seine Angst. Mitgefühl ist die Grundlage der Wahrheit, das ist seine Überzeugung. Das machte ihn furchtlos und gab ihm den Mut, der gefährlichen Stadt Jerusalem nicht auszuweichen. Seine Angst konnte ihn nicht daran hindern, das zu tun, was er für richtig hielt.

 

Die Angst – ob die kleine oder die ganz große – gehört zum Leben. Sie gehört vor allem zu denen, die in der Nachfolge des Messias leben wollen – zu uns. Menschen, die keine Angst haben, sind Ungeheuer. Wer keine Angst kennt, kennt auch keine Wege, sie bei sich und anderen abzubauen. Die meisten Ängste sind durch ein entschiedenes Engagement zu verkleinern, das ist meine Erfahrung. Wir sollten auch nicht übersehen, dass uns Ängste eingeredet werden, die man durch Benennen und gegenseitige Ermutigung als Lüge entlarven kann. Wie heißen – außer den ganz persönlichen - unsere großen Ängste? Die Angst, unsere Vision von der Gerechtigkeit könnte endgültig  verloren gehen,  oder die Angst, die Macht des Geldes könnte Oberhand gewinnen über Vernunft, Menschlichkeit und Kultur.

 

Bedrohten, verletzlichen und verängstigten Menschen bläst der Auferstandene seinen Geist – besser: seine Inspiration – ein. So hatte es schon der Messias am Kreuz getan. Es heißt bei Johannes: „Er neigte sein Haupt und übergab seine Inspiration“ – an Maria und den Jünger Johannes, stellvertretend für die neu entstehende Gemeinde. Der Geist des toten und des auferstandenen Messias ist ein Auftrag an die Jüngerinnen und Jünger, er will aufrichten, Beine machen, die Sache des Messias in Gang halten. Die Inspiration des Messias soll nicht verkümmern in Angst und Isolation, sie sucht die freie Luft und aufrechte Menschen. Sie geht nicht über die Verletzlichkeit der Menschen hinweg – das gerade nicht. Aber sie spricht Mut zu, auch Verletzungen nicht zu scheuen, die ganz sicher kommen werden, wenn man die schützenden Mauern der Isolation verlässt. Sie ist Antrieb gegen die Resignation und die Ohnmachtsgefühle der Weltordnung gegenüber, die uns in Angst und Tod gefangen halten will.

 

Davon ist Thomas noch nicht überzeugt, dieser Stellvertreter aller Skeptiker bis heute. Die Wunden des Auferstandenen sind nicht vernarbt, sie scheinen noch zu schmerzen – so behutsam ist die Bitte um Berührung formuliert. Einem Messias, der tatsächlich leidet und damit solidarisch ist mit den Opfern dieser Weltordnung, kann man glauben. Und so spricht der größte Skeptiker in der Runde das größte und folgenreichste Bekenntnis zum Messias: Er formuliert es mit den Worten, die man damals üblicherweise dem Kaiser gegenüber aussprach: Mein Herr und mein Gott – dominus ac deus ließ sich Domitian nennen. Aber vor ihm beugt die Gemeinde des Johannes nicht mehr die Knie, sondern vor ihrem Herrn. Wem die Angst genommen ist und wer zur Entschiedenheit seines Engagements gefunden hat, beugt sich keinem selbsternannten Herrn mehr. 

 

Das genau sollen die letzten Sätze des Johannesevangeliums sein, eine unglaubliche Ermutigung: Das habe ich geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist und damit ihr – mitten in Ängsten und Bedrängnis – lebt in seinem Namen. Amen